S. Parth: Deutsche Militärmalerei des 19. Jahrhunderts

Titel
Zwischen Bildbericht und Bildpropaganda. Kriegskonstruktionen in der deutschen Militärmalerei des 19. Jahrhunderts


Autor(en)
Parth, Susanne
Reihe
Krieg in der Geschichte 56
Erschienen
Paderborn 2010: Ferdinand Schöningh
Anzahl Seiten
409 S.
Preis
€ 39,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Martin C. Wald, Hamburg

Es gibt historische Fachbücher, die mit einer Reihe von wertvollen Einzelbeobachtungen aufwarten, diese aber nicht zu einer höheren Deutung zusammenbinden können. Und es gibt Bücher, da verhält es sich eher umgekehrt.

In der Dissertation Parths, die aus dem SFB „Kriegserfahrungen. Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit“ der Universität Tübingen hervorgegangen ist, erreichen sowohl Einleitung als auch Resümee eine glänzende Höhe. Medientheorie ist behutsam in das Vorhaben eingebettet, über Panofskys Deutungsmodell der Bildzeichen hinaus wird eine semiotische Erweiterung stringent entwickelt und begründet. Das theoretische SFB-Konzept des „Erfahrungsraums“ wird auf hohem Niveau mit Sinn, Inhalt und Anschauung gefüllt: „Die Bilder der Militärmaler werden […] als ein Konzept, als ein Erinnerungs- und Deutungsangebot und als eine Interpretationsanweisung für Kriege, Schlachten, Siege und Niederlagen verstanden.“ (S. 9) Die ersten Seiten des Buches über „Aspekte“ der Militärmalerei sind gar bereits so voll mit klugen Einsichten, dass sie sich wie eine vorweggenommene Ergebniszusammenfassung lesen.

Im Ergebnisrückblick löst Parth das im „Diskurs der Bilder“ ständig neu konstituierte Spannungsfeld dahingehend auf, dass die untersuchten Militärmaler moralisch zunehmend Formen der Hegung, kriegstechnisch aber Formen der Enthegung des Krieges darstellten. Die Propagandawirkung habe vorrangig in der voranschreitenden Inszenierung einer Deckungsgleichheit von monarchischer Repräsentation und nationaler Begeisterung bestanden. Die Produkte verdeckten die Militarisierungstendenzen in der Gesellschaft hinter dem Repräsentationsbedürfnis der Militärs. Schließlich seien nicht mehr „Kriege“, sondern „der Krieg“ thematisiert worden: „In dieser Verallgemeinerung erfuhr er so im Laufe des 19. Jahrhunderts einen Bedeutungswandel von der Legitimation als Befreiung von der Fremdherrschaft über die Katalysatorfunktion im Prozess der Nationalisierung hin zur selbstreferentiellen Sinnstiftung“ (S. 360). Die Verunsicherung innerhalb der Künstlerschaft habe sich jedoch in immer stärker divergierenden – illustrierenden, pathetischen, kritischen – Bildfindungen geäußert.

Dieses Resümee befähigt Parth schlussendlich, die anfangs eingeführte Typologie Pfaffenbichlers zur Militärmalerei um zwei weitere neue Typen zu ergänzen: Selbstdarstellungen des Militärs im zivilen Umfeld und allegorische Darstellungen. Der Ausblick nimmt vorbildlich die auch nach dieser Studie noch bestehenden Forschungsdesiderate in den Blick. Die Autorin schlägt weitere Arbeiten über das Alter der dargestellten und tatsächlichen Soldaten, über Feindbild- und Frauendarstellungen sowie über Seeschlachtbilder vor. Auf die Kriege des 20. Jahrhunderts hätten, so Parth, die Bilder nicht nur moralisch, psychologisch und ideologisch, sondern auch „medial“ vorbereitet. So rief ein Besucher eines Dresdner Kriegspanoramas begeistert aus: „Das ist der Krieg!“ (S. 263) – der „im Grunde paradoxe Vorgang der Gleichsetzung von Medien und Realität führte zur Überzeugung einer tatsächlichen Wehrhaftigkeit und militärischen Überlegenheit des Deutschen Reiches“ (S. 367). Der Krieg als Ganzes wurde „medialisiert“. In Anbetracht unserer seitdem noch verstärkter durch Medien konstruierten und kontrollierten Wirklichkeit bleibt da ein Kloß im Hals des Lesers zurück, wird doch unsere bequeme Gedankenlosigkeit, „irgendwie“ bildeten die Medien schon die Wirklichkeit ab, als frommer Wunsch entlarvt.

So weit, so stark. Taucht man jedoch tiefer in die gedankliche Entwicklung des Hauptteils ein, entstehen rasch auch Zweifel vor allem an methodischem Handwerkszeug und argumentativer Folgerichtigkeit.

Dies betrifft zuallererst die Ebene der Bildinterpretation. Die Gemälde auf ihren historischen Aussagewert hin zu befragen und auszuwerten, ist unzweifelhaft eine wichtige Arbeitsgrundlage Parths. Auf Seite 284 nimmt sie sich das Gemälde „Die Trümmer der Großen Armee 1812“ von Otto von Faber du Faur vor. Es stand beim Tod des Malers 1901 unvollendet auf dessen Staffelei. Zu sehen sind unter anderem ein Strom von sich offenbar zurückziehenden Soldaten der französischen Armee im Hintergrund und zwei auffällig steife Figuren im Vordergrund – ein Mann im warmen Wintermantel und eine Frau –, die den Betrachter frontal ansehen. Parth will hier nun erkennen, dass diese Figurenkonstellation „an eine familiäre Ordnung“ erinnere, „welche die Bildaussage in eine Art Gründungsmythos zu wenden scheint“: Die Überlebenden des Kriegsleids seien „die Ahnen einer selbstbewussten und siegreichen Nation“. Mehr noch: Der „Zeigegestus“ des Mannes könne als „Variation des Feldherrenmotivs“ gesehen werden, der aber keinen Schlachtensieg, sondern den Sieg dieser Nation präsentiere.

Dies ist, gelinde gesagt, überinterpretiert. Parth ist es hier, um eine These zu belegen, offenbar vor allem darum zu tun, dem Maler im Vergleich zu älteren Vorläufern, die das Motiv des Russland-Feldzuges aufgriffen, eine „kriegslegitimierende Absicht“, die „den Moment des Leidens“ vernachlässige, unterzuschieben. Weder kann als klar gelten, für welche Nation der Mann denn überhaupt stehen mag (Wieso kümmert sich ein deutscher Maler um die Größe der französischen Nation?), noch ist die Deutung als Familie plausibel (Es handelt sich um einen älteren Mann mit Krückstock), noch wird der von Parth behauptete Zeigegestus so recht deutlich. Viel einleuchtender ist die weniger elaborierte Deutung der Kunsthistorikerin Gertrud Seizinger: „Die Soldaten sind zu Prototypen von Leid und Schicksalsergebenheit geworden. […] Die ideologische Überhöhung fällt bei den Rückzugsdarstellungen schwer, denn hier ist der bestimmende Eindruck die Not der physischen Existenz bei bedeutungslos gewordener Individualität in einem desaströs endenden kriegerischen Unternehmen.“1

Schwierigkeiten hat Parth darüber hinaus häufig bei der begründeten Nachzeichnung einer historischen Entwicklung. Mit guten Gründen legt Parth ein Konzept ikonographischer Serialität zugrunde. Dies funktioniert dort gut, wo die Zeitumstände für dieselben oder ähnliche Motive veränderte Bildfindungen nahe legten. Ein Gemälde von 1819 zum württembergischen Rheinübergang bei Kehl 1815 drückt einen idealisierenden Repräsentationsbedarf des Fürsten aus. 1860 stellt der Maler Camphausen den preußischen Feldherrn Blücher hoch zu Pferde eindeutig in den Mittelpunkt, verschleiert aber in der fast volksfestartigen Darstellung die Plünderungen bei seinem Rheinübergang am 1. Januar 1814, um die gemeinsamen Ziele von Bürger und Soldat in der Zeit der Nationalstaatsbildung herauszuarbeiten. 1900 gibt Richard Knötel für dieselbe Szene eine flüchtige, völlig unpathetische Kriegsimpression. Der Feldherr ist vom Pferd herabgestiegen und gibt damit einer egalisierenden, demokratisierenden, aber auch episodischen Tendenz der Militärmalerei jener Zeit Ausdruck.

An vielen anderen Stellen ist der Zusammenhang vage und die Serialität nur behauptet, offenbar um Lücken im Material zu kaschieren. So vertritt Parth die plausible These, dass die Leipziger Völkerschlacht von 1813 mit der Zeit im Sinne eines Volkskriegs der Deutschen gegen die Franzosen umgedeutet wurde: „Nach 1870/71“, so die Behauptung, „rückten die Napoleonischen Kriege wieder verstärkt ins Blickfeld der Künstler“ (S. 300). Verwirrenderweise ist der erste Beleg ein Gemälde von 1872 mit dem Titel „Beginn der Verfolgung bei Königgrätz 1866“. „Die im Bild vermittelte Vorstellung eines nicht aufhaltbaren, in alle Richtungen räumlich ausgedehnten Heeres“ (S. 301) spiele aber „zugleich“ auf die Napoleonischen Kriege an. Es ist schon richtig, dass vom Geschichtsdiskurs zwischen Kriegsereignissen des 19. Jahrhunderts „eine Art historische Kausalkette“ gestiftet wurde – nur tritt diese am untersuchten Gemälde am allerwenigsten hervor. Es ist auch richtig, dass es seit den 1850er/1860er-Jahren zu einer Überblendung der Figuren Napoleons I. und Napoleons III. kam. Doch erschließt es sich nicht, wie ein Gemälde Camphausens „Napoleon III. und Bismarck auf dem Weg zu Wilhelm I. am Morgen nach der Schlacht von Sedan“ von 1877 ein „Gegenstück“ zu Faber du Faurs „Napoleon I. auf dem Rückzug aus Russland“ von 1869 sein kann. Hier wird offenbar Vorwissen in das Material hineinprojiziert – die ganze Arbeit erhält eine zirkelschlussartige Struktur.

So offenbart sich zwischen Theorie- und Methodenzugang auf der einen und Untersuchungsziel und Materialgestalt auf der anderen Seite doch ein Mangel an Konsequenz und Ausgereiftheit. Zum Beispiel kann Parth nicht verdeutlichen, warum es eines fast hundertseitigen Teils zu Leben und Werk einzelner Maler bedarf, wenn doch ein Diskurskonzept zugrunde gelegt ist. Und so wichtig es auch ist, die Wechselwirkungen ästhetischer Kriegserfahrung zwischen Produzenten und Rezipienten von Gemälden deutlich hervorzuheben, so fehlt es doch letztlich an einer Erdung, wie sie ein Konzept von den Funktionen der Militärmalerei hätte leisten können.

Schließlich ist das abgedruckte Bildmaterial von zu dürftiger Qualität, als dass man an ihm die Thesen und Argumente des Buches nachvollziehen könnte. Auf den zumindest behelfsmäßigen Abdruck der häufig herangezogenen Panoramabilder wurde gleich ganz verzichtet. Warum sollte es in Zukunft nicht verstärkt möglich sein, solche (dann selbstverständlich farbigen) Bilddokumentationen begleitend im Internet anzubieten?

Anmerkung:
1 Gertrud Seizinger, Otto von Faber du Faur. Studien zu den Arbeiten in Öl, Diss. Stuttgart 2010 <http://elib.uni-stuttgart.de/opus/volltexte/2010/5740/pdf/Otto_von_Faber_du_Faur.pdf>, S. 76 (22.04.2011).